Nr. 05/23

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung weiterer Bestimmungen.

A. Tenor der Stellungnahme

Der Bund Deutscher Sozialrichter (BDS) begrüßt grundsätzlich die in dem Referentenentwurf vorgesehenen Erleichterungen für die Beteiligten im Hinblick auf die Digitalisierung der Durchführung des sozialgerichtlichen Prozesses. Im Rahmen der beabsichtigten Digitalisierung sind die Besonderheiten im sozialgerichtlichen Prozess zu beachten.

Den oft rechtlichen und fachlich unkundigen Klägern soll durch einen niedrigschwelligen Zugang effektiver gerichtlicher Rechtsschutz ermöglicht werden. In den vor den Sozialgerichten geführten Verfahren besteht oftmals eine persönliche Betroffenheit. Regelmäßig sind soziokulturelle Bedürfnisse im Streit. Den Klägern steht mit der Sozialverwaltung eine Fachverwaltung mit erheblichem Wissens- und Erfahrungsvorsprung gegenüber.

Regelmäßig besteht ein hohes Ungleichgewicht zwischen den Beteiligten.

B. Änderungen Sozialgerichtsgesetz (SGG)

I. Einführung von § 65a Abs. 3 S. 3 SGG

Die Einführung eines § 65a Abs. 3 S. 3 SGG ist aus Sicht eines niederschwelligen sozialgerichtlichen Zugangs grundsätzlich zu begrüßen. Sie eröffnet die Möglichkeit, dass Kläger schriftlich einzureichende Anträge über ihre Bevollmächtigten, Vertreter oder Beistand in ein elektronisches Dokument übertragen und einreichen können. Die dadurch ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit, Dokumente einzuscannen und über einen Dritten einzureichen, gewährleistet einen möglichst weitreichenden Zugang auch für diejenigen Kläger, die über einen solchen Zugang individuell nicht verfügen. Zu begrüßen ist, dass dadurch Kläger, die keine Möglichkeit der Nutzung der qualifizierten elektronische Signatur haben, eine weitreichende Möglichkeit erhalten, über dritte Personen elektronisch Dokumente einreichen zu können.

Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die von den fachlich und rechtlich unerfahreneren Klägern gefertigten Dokumente in der gerichtlichen Praxis oftmals handschriftlich sind und sicherzustellen ist, dass die eingescannten Dokumente auch bei Implementierung in die elektronische Akte noch lesbar sind. Ferner ist im Falle der Vertretung durch einen professionellen Verfahrensbevollmächtigten wünschenswert, dass die Dokumente in leicht lesbarer und für die elektronische Akte zugänglicher Form eingereicht werden sollten. Soweit ein gerichtserfahrener Bevollmächtigter vorliegt, sollte auf handschriftliche Ausführungen der Kläger – gerade zur einfachen Weiterbearbeitung in der elektronischen Gerichtsakte – verzichtet und die Möglichkeit einer elektronischen Weiterverarbeitung des Textes sichergestellt werden.

II. Einführung von § 65b Abs. 1b SGG

Die Vorschrift über die Ermächtigung der Bundesregierung und der Landesregierungen, für ihren Bereich bestimmen zu können, dass Akten, die vor dem 01.01.2016 in Papierform angelegt wurden, ab einem bestimmten Stichtag oder Ereignis in elektronischer Form fortzuführen sind, überzeugt im Hinblick auf die vollständige Einführung der elektronischen Verfahrensführung nur teilweise. Aus Sicht des BDS führt die Möglichkeit der eigenständigen Bestimmung der Hybridaktenführung beim Bund und in den einzelnen Ländern zu einer möglicherweise eintretenden uneinheitlichen Ausprägung der elektronischen Akte beim Bund in den Ländern. Dies läuft wiederum dem Ziel einer einheitlichen elektronischen Verfahrensführung entgegen. Bei Verweisungen aus anderen Bundesländern entstehen durch eine unterschiedliche Verfahrensführung Schwierigkeiten.

Wünschenswert ist eine bundeseinheitliche digitale Führung aller Akten ab dem 01.01.2026. Dies sollte auch für bereits auf Papier angelegte Akten gelten, die elektronisch fortgeführt werden. Nicht verkannt wird allerdings auch der dadurch in der Begründung des Referentenentwurfs erforderliche personelle und sachliche Aufwand und die damit verbundenen Scan-Arbeiten.

III. Einführung von § 211 SGG

Auch hier ist eine einheitliche digitale Führung der Dokumente und Aktenteile im Sinne einer einheitlichen digitalen Verfahrensführung im Bund und der Länder wünschenswert. Allerdings fallen die in der Regelung genannten Verschlusssachen in der sozialgerichtlichen Praxis so gut wie nicht an.

C. Beschränkte Zulassung des Identifizierungsverfahrens Elster im elektronischen

Rechtsverkehr

Die Aufnahme von ELSTER in die ERVV im Rahmen der Anbindung eines Organisations- („Unternehmens“-) Kontos nach dem Onlinezugangsgesetz (OZG) an das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach ist aus Sicht des BDS jedenfalls insoweit unbedenklich, soweit die datenschutzkonforme Verwendung von im steuerrechtlichen Verfahren hinterlegten persönlichen Daten der Verfahrensbeteiligten gewährleistet werden kann. Für die nicht wenigen Beteiligten, die das Verfahren vor dem Sozialgericht ohne Prozessvertreter führen, wäre somit ein einfacher und kostenfreier elektronischer Übermittlungsweg eröffnet. Die so übermittelten Schriftsätze sind für die Gerichte erheblich einfacher zu verarbeiten, als solche, die zunächst eingescannt werden müssten.

D. Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte

Die Neuregelung des § 10 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ist aus Vereinfachungsgesichtspunkten zu begrüßen. Bisher sieht § 10 Abs. 1 RVG noch vor, dass eine vom Rechtsanwalt unterzeichnete und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung vorliegt. Nunmehr soll bereits die Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ohne Unterschrift ausreichen. Daraus resultierende Nachteile sind für die Kläger sind nicht zu erwarten, da es weiter dabei bleibt, dass die zu fordernde Vergütung dem Auftraggeber mitzuteilen ist. Änderungen in der Verjährungsfrist gibt es nicht.

Daniel Stinder

Richter am Sozialgericht

Vorstandsreferent

Dokumente