Nr. 02/15

Stellungnahme des Bundes Deutscher Sozialrichter (BDS) zum Referentenentwurf des BMJV und des BMAS eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, der Verwaltungsgerichtsordnung, der Finanzgerichtsordnung und des Gerichtskostengesetzes (Rechtshängigkeit bei Entschädigungsklagen nach §§ 198 ff GVG)

Für die Möglichkeit, zu dem Referentenentwurf Stellung zu nehmen, bedanken wir uns. Unsere Stellungnahme beschränkt sich auf die Änderungsvorschläge zum Sozialgerichtsgesetz und zum Gerichtskostengesetz.

Der Entwurf klärt die Problematik, wie mit Entschädigungsklagen zu verfahren ist, die nach geltendem Recht zwar mit Klageerhebung rechtshängig werden (§§ 90, 94 SGG), mangels Einzahlung des Kostenvorschusses jedoch nicht zuzustellen sind (§§ 12a, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG). Er greift damit einen Hinweis auf, der auch von Seiten des BDS gegeben worden ist (Stellungnahme des BDS zur Evaluierung des Gesetzes zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungen in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit vom 20.02.2014).

Zur Bereinigung der Problematik wählt der Entwurf den Weg, die Rechtshängigkeit von Entschädigungsklagen abweichend von sonstigen Klagen zu regeln. Dem kann der Vorwurf einer weiteren dogmatischen Zersplitterung des Prozessrechts kaum gemacht werden. Die Entschädigungsklagen nach §§ 198 ff GVG stellen nach Klagegegenstand und teilweise auch nach der prozessrechtlichen Ausgestaltung einen atypischen Fall im Sozialgerichtsgesetz dar. Im Gesetzgebungsverfahren war zunächst auch die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorgesehen (vgl. Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, S. 140). Insofern ist die Angleichung der Regelung über die Rechtshängigkeit an die Zivilprozessordnung nahe liegend. Die hier gefundene Lösung ist damit auch vorzugswürdig gegenüber anderen denkbaren Lösungen (alleinige Regelung im GKG; Erweiterung des § 102 Abs. 2 SGG).

Die Rechtshängigkeit erst mit Bezahlung der Gebühr anzunehmen hat Auswirkungen auf die allgemeinen Wirkungen der Rechtshängigkeit, also materiell-rechtlich auf die Hemmung der Verjährung (§ 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 204 BGB) und die Prozesszinsen (§ 288 Abs. 1, § 291 Satz 1 BGB analog, vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2014, B 10 ÜG 12/13 R, SozR 4-1720 § 198 Nr. 4, Rn. 61) sowie prozessual auf die Sperrwirkung für neue Klagen mit gleichem Streitgegenstand (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG) und die perpetuatio fori (§ 202 Satz 1 GVG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG). Dies erscheint aber konsequent und belastet den Entschädigungskläger nicht unangemessen. Er kann die Wirkungen der Rechtshängigkeit zügig herbeiführen, wenn er die Gebühr bezahlt. Wird Prozesskostenhilfe bewilligt, ist die Zustellung nicht von der Zahlung der Gebühr abhängig (§ 14 Nr. 1 GKG). Die neu vorgesehene Hinweispflicht in § 12a Satz 2 GKG weist den Entschädigungskläger auf die gegenüber sonstigen Klagen in der Sozialgerichtsbarkeit abweichende Rechtslage zur Rechtshängigkeit hin.

Außerhalb des Gesetzesentwurfs, da die Landesjustizverwaltungen betreffend, weisen wir abschließend noch darauf hin, dass die Neufassung wohl Änderungen/Klarstellungen in der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in der Sozialgerichtsbarkeit sowie der Aktenordnung für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit notwendig machen wird.

stVDirSG Dr. Steffen Roller

Vorsitzender des BDS