Nr. 02/17

Stellungnahme des Bundes Deutscher Sozialrichter (BDS) zum Entwurf zur Änderung des Ersten und Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Anpassung an die Verordnung (EU) 2016/679

 

Der Bund Deutscher Sozialrichter nimmt zu den materiell-rechtlichen Regelungen nur dann Stellung, wenn von ihnen unmittelbare Auswirkungen auf die sozialgerichtlichen Verfahren zu erwarten sind. Das besondere Augenmerk ist auf das gerichtliche Verfahrensrecht gerichtet.

 

Vor diesem Hintergrund äußern wir uns zu folgenden Punkten:

  1. Bereits in unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf zum Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz (DSAnpUG-EU) haben wir darauf hingewiesen, dass die EU-Datenschutzgrundverordnung – VO (EU) 2016/679 – umfassende Betroffenenrechte vorsieht (s. Art. 12 - 21 EU VO 2016/679). Einen entsprechenden Vorbehalt für die Justiz sehen wir – zumindest ausdrücklich – nicht. In gleicher Weise hat sich bereits der Bundesrat zum entsprechenden Gesetzentwurf geäußert (BT-Drs. 18/11655 vom 23.03.2017 – dort Punkt 6).

  2. §§ 81a und 81b SGB X-E sehen die Eröffnung des Rechtswegs vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Streitigkeiten im Zusammenhang mit einer Angelegenheit nach § 51 Absatz 1 und Absatz 2 SGG vor. Diese Regelung wird inhaltlich wegen des engen Zusammenhangs zwischen materiellem Sozialrecht und dem Rechts des Sozialdatenschutzes begrüßt.

    Systematische Erwägungen sprechen allerdings dafür, Regelungen zum Rechtsweg direkt in das Sozialgerichtsgesetz (§ 51 SGG) aufzunehmen. Dies gilt auch für Regelungen der örtlichen Zuständigkeit der Sozialgerichte (§§ 81a Abs. 3, 81b Abs. 2 und 3 SGB X-E).

    Im Übrigen sollte deutlich herausgestellt werden, dass der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit keinesfalls für Amtshaftungsklagen eröffnet ist, da diese durch Art. 34 GG den ordentlichen Gerichten zugewiesen sind. Eine vorrangige europarechtliche Regelung besteht nach hiesiger Auffassung nicht; insbesondere nicht in Art. 82 Abs. 6 der Verordnung (EU) 2016/679. Ein klarstellender Hinweis zur Auffassung des Gesetzgebers – jedenfalls in der Gesetzesbegründung – wäre in jedem Fall wünschenswert.

  3. Der Gesetzentwurf enthält keine Implementierung von Art. 80 Abs.1 der Verordnung (EU) 2016/679 in das SGG. § 73 Abs. 2 SGG regelt abschließend, wer vor den Sozialgerichten auftreten darf; aus hiesiger Sicht werden die in Art. 80 Abs. 1 der Verordnung genannten aufgeführten Organisationen von § 73 Abs. 2 SGG nicht erfasst. Falls der Gesetzgeber § 73 Abs. 2 SGG als zulässige Abweichung von Art. 80 Abs. 1 der Verordnung ansieht, wäre auch insoweit ein entsprechender Hinweis in der Gesetzesbegründung wünschenswert.

  4. § 81a Abs. 4 SGB X-E weicht von der herkömmlichen Systematik (Rechtsträgerprinzip) ab, ohne dass ein Grund dafür deutlich würde. Aus hiesiger Sicht ist die Regelung entbehrlich.

    Auch § 81b Abs. 3 SGB X-E („Klagen gegen Behörden“) weicht vom Rechtsträgerprinzip ab und sollte entsprechend umformuliert werden.

  5. Zu § 81b Abs. 4 SGB X-E werfen wir die Frage auf, ob dem Vertreter gemäß Art. 3 Abs. 2 der Verordnung die Stellung eines Zustellungsbevollmächtigten nicht aus sich heraus zukommt. In diesem Fall wäre die Regelung entbehrlich und ein bloßer Hinweis in der Gesetzesbegründung vorzugswürdig. Jedenfalls gilt auch hier, dass Regelungen zum gerichtlichen Verfahrensrecht einheitlich im Sozialgerichtsgesetz zu finden sein sollen.

  6. Wir regen an, zu prüfen, ob für Streitigkeiten nach §§ 81a, 81b SGB X-E Fachkammern im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 SGG gebildet werden sollen, was aus unserer Sicht nicht zwingend erforderlich erscheint. In diesem Fall wäre auch eine Regelung zu den entsprechenden Vorschlagslisten für ehrenamtliche Richter (§ 14 SGG) zu treffen.

Christoph Bielitz

Richter am Landesozialgericht

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