Nr. 03/20

Stellungnahme des Bundes Deutscher Sozialrichter (BDS) zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Justizkosten- und Rechtsanwaltsgebührenrechts (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 – KostRÄG 2021)

 

Der BDS ist zu dem Referentenentwurf des JVEG-Änderungsgesetzes 2021 bisher nicht förmlich beteiligt worden. Wir erlauben uns trotzdem Stellung zu nehmen, da in einigen Bereichen Auswirkungen auf die sozialgerichtlichen Verfahren erwartet werden.

1. Der BDS begrüßt es, dass der Gesetzgeber

a. die in den gemeinsamen Vorschlägen der DAV und der BRAK zur regelmäßigen Anpassung, strukturellen Änderung und Ergänzung und Klarstellung des RVG (Stand März 2018) geforderten Einführung einer zusätzlichen Pauschgebühr, deren Anfall vom Landessozialgericht festgestellt werden sollte, absehen will und

b. eine eindeutige Regelung hinsichtlich des Anfalls einer fiktiven Terminsgebühr bei Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs und Beendigung des gerichtlichen Verfahrens durch (einseitige oder übereinstimmende) Erledigungserklärung trifft (Nrn. 3104 und 3106 VV RVG).
 

2. Mit der Änderung der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG soll vermieden werden, dass für die Vergütung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes in ein und derselben Angelegenheit ein gespaltenes Vergütungsrecht gilt. Durch die Neufassung des § 60 Abs. 1 RVG soll nach dessen Satz 1 zunächst auch im Rechtsmittelverfahren der bisher in § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG verankerte Grundsatz, dass grundsätzlich der unbedingte Auftrag bestimmend ist für die Anwendung des Rechts, gelten (Seite 58 des Gesetzentwurfs).

Im Vergleich zu der bisherigen Fassung des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG wird der Wortlaut u.a. dahingehend verändert, dass anstelle „wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt“ es nunmehr heißt „wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten eine Gesetzes Änderung erteilt worden ist“.

Insoweit stellt sich die Frage, ob durch die Streichung des Zusatzes „im Sinne des § 15“ nunmehr der Neufassung des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ein anderer Begriff „derselben Angelegenheit“ zugrunde gelegt werden soll, als in den §§ 15 ff RVG definiert worden ist. Nach § 17 Nr. 1 RVG sind verschiedene Angelegenheiten das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug, stellen also ein vorausgegangener Rechtszug und ein Rechtsmittel nicht dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 15 RVG dar. Falls in der Neufassung ein anderer Begriff „derselben Angelegenheit“ verwandt werden soll, als dies in §§ 15 ff RVG definiert ist, sollte dieser abweichende Begriff eigenständig definiert werden, um Streitigkeiten im Kostenfestsetzungsverfahren zu vermeiden.
 

3. In Hinblick auf die beabsichtigte Änderung des § 58 RVG erlaubt sich der Verband den Hinweis, dass in sozialgerichtlichen Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren anfallen, umstritten ist, wie in Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 55, 56 RVG die Höhe der dem beigeordneten Rechtsanwalt von der Staatskasse zu erstattende Verfahrensgebühr zu ermitteln ist, wenn der Gegner anteilig die Geschäftsgebühr und Verfahrensgebühr zu erstatten hat und entsprechend seinem prozentualen Anteil Zahlungen auf die Geschäftsgebühr und Verfahrensgebühr geleistet hat. Zu einem wird vertreten, dass bei der Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG nur der vom Gegner gezahlten Betrag zugrunde zu legen ist (LSG Bayern, Beschluss vom 22.05.2019 – L 12 SF 282/14 E; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.12.2018 – L 7 AS 4/17 B; LSG Thüringen, Beschluss vom 01.11.2018 – L 1 SF 1358/17 B; LSG Sachsen, Beschluss vom 26.07.2017 – L 8 AS 640/15 B KO; LSG NRW, Beschluss vom 04.05.2020 – L 21 AS 145/19 B). Zum anderen wird vertreten, dass für die Berechnung der Höhe des Anrechnungsbetrages nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG auf die entstandene und nicht auf die tatsächlich vom Gegner gezahlte Gebühr abzustellen ist (LSG NRW, Beschlüsse vom 16.08.2018 – L 9 AL 223/16 B und vom 08.01.2020 – L 19 AS 773/19). Eine eindeutige Regelung wäre zu begrüßen.
 

4. Als richterlicher Berufsverband bewertet der BDS die Absicht, die Rechtsanwaltsvergütungen in sozialgerichtlichen Angelegenheiten um linear 20% anzuheben, damit doppelt so hoch wie dies in anderen Angelegenheiten erfolgt, nicht. Aus unserer Sicht ist jedoch in den sozialgerichtlichen Streitigkeiten eine zunehmende Komplexität festzustellen, die eine solche zusätzliche Erhöhung rechtfertigen mag.


Elisabeth Straßfeld                                                                           Dr. Steffen Roller

Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht                                Direktor des Sozialgerichts

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