Nr. 04/12

Stellungnahme des BDS zu den Änderungsvorschlägen auf dem Gebiet des Sozialprozessrechts (Bericht über die Ergebnisse der Fortsetzung der Beratungen der Landesjustizverwaltungen der Länder Berlin, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen; Stand: 22. Mai 2012)

A. Einführung des konsentierten Einzelrichters

Dem Vorschlag wird nicht entgegengetreten. Die vorgeschlagene Novellierung würde zu einer Vereinheitlichung der entsprechenden Regelungen in den Verfahrensordnungen der VwGO, der FGO und des SGG beitragen und für das sozialgerichtliche Verfahren in erster und zweiter Instanz eine übereinstimmende Zuständigkeit des konsentierten Einzelrichters schaffen. Der BDS hat jedoch bereits in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (BT-Drucks 16/3660) angemerkt, dass es fraglich ist, ob für die Neuregelung ein praktisches Bedürfnis besteht (vgl. bereits Roller, SGb 2005, 616, 619). Immerhin kann der Kammervorsitzende bereits nach geltendem Recht durch Gerichtsbescheid gemäß §105 SGG als Einzelrichter abschließend im Klageverfahren entscheiden. Eine Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter nach mündlicher Verhandlung ermöglicht ersichtlich auch keine Verfahrensbeschleunigung im Vergleich zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung. An dieser Einschätzung ist weiter festzuhalten.

 

B. Harmonisierung der Listen ehrenamtlicher Richter

Der Vorschlag wird nachhaltig begrüßt. Es besteht ein deutlich erkennbares Bedürfnis der gerichtlichen Praxis, die Differenzierung der Vorschlagslisten für die ehrenamtlichen Richter zu vereinfachen und hierbei insbesondere die Unterscheidung zwischen Versicherten und Arbeitnehmern aufzugeben. Der Vorschlag entspricht der Prüfbitte des Deutschen Richterbundes (DRB) in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein 4. Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (BR- Drucks. 315/11), Oktober 2011 (unter www.drb.de)

 

C. Übernahme der Regelungen der §§ 44a, 106 S. 2 und § 130a VwGO in das SGG

Dem Vorschlag, eine dem § 44a VwGO entsprechende Regelung einzuführen, wird nicht entgegengetreten. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Anwendung des § 44a VwGO im sozialgerichtlichen Verfahren ist in der Tat uneinheitlich. Auch wenn dies in der gerichtlichen Praxis bisher zu keinen größeren Problemen geführt hat, wäre eine gesetzliche Klarstellung hilfreich. Dass unselbstständige behördliche Verfahrenshandlungen nur gemeinsam mit der Sachentscheidung angefochten werden können, dient der Vereinfachung (vgl. § 9 S. 1 SGB X) und Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens. Besonderheiten des Sozialrechts, die einer Angleichung an den Rechtsstand in der VwGO entgegenstünden, sind hier nicht erkennbar.

Auch der Ergänzung des § 101 SGG entsprechend § 106 S. 2 VwGO um die ausdrückliche Möglichkeit der schriftlichen Annahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags durch die Beteiligten wird nicht entgegengetreten. Sie dient ebenfalls der Klarstellung. Dass der bisherige Rechtszustand zu größeren Problemen in der gerichtlichen Praxis, insbesondere zu unnötigen Gerichtsterminen geführt hat, ist aus der Sicht des BDS aber nicht erkennbar.

Bedenken bestehen gegen die dem § 130a S. 1 VwGO nachgebildete Möglichkeit einer Stattgabe der Berufung durch einstimmigen Beschluss der Berufsrichter am Landessozialgericht ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 153 Abs. 4 SGG-E). Anders als in der VwGO sieht das SGG keine regelhafte Übertragung auf den erstinstanzlichen Einzelrichter und keine allgemeine Zulassungsberufung vor. Die zweite Instanz ist im Grundsatz als vollwertige Tatsacheninstanz ausgestaltet.

Der Mitwirkung ehrenamtlicher Richter in der Sozialgerichtsbarkeit kommt eine besondere Bedeutung zu. Sie repräsentieren die Sozialpartnerschaft innerhalb des gerichtlichen Verfahrens. Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung können durch sie auf eine möglichst breite Übereinstimmung aller beteiligten Kreise gegründet, die gerichtlichen Entscheidungen den Beteiligten besser vermittelt und damit Vertrauen beim Bürger geschaffen werden. Die ehrenamtlichen Richter bringen aber vor allem den Sachverstand und die Lebenserfahrung der betroffenen Berufskreise in das gerichtliche Verfahren ein. Deswegen sind sie nicht mit den Schöffen und Geschworenen der ordentlichen Gerichte, die aus allen Schichten der Bevölkerung ausgewählt werden, und auch nicht mit den ehrenamtlichen Richtern in den Instanzgerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu vergleichen. Die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter bei der Entscheidung ist durch die Möglichkeiten des Gerichtsbescheides (§ 105 SGG) und der Zurückweisung/Verwerfung der Berufung durch Beschluss (§ 153 Abs. 4, § 158 S. 2 SGG) bereits teilweise zurückgedrängt. Hinzu kommt die hier vorgeschlagene Einführung eines konsentierten Einzelrichters in der ersten Instanz (Reformvorschlag A). Diese Tendenz muss aber auch an Grenzen stoßen, wenn das Element der Mitwirkung ehrenamtlicher Richter nicht zur bloßen Ausnahmeerscheinung verkümmern soll. Daher hat sich der BDS bereits in der Vergangenheit gegen gesetzliche Regelungen ausgesprochen, die eine Verringerung des Einsatzes die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter zum Ziel haben (Stellungnahme des BDS zum Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes [BT-Drucks 16/3660]). Wenn das Landessozialgericht ein Urteil der regelhaft mit ehrenamtlichen Richtern besetzten Kammer der ersten Instanz aufhebt, sollte dies daher nicht ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter erfolgen.

Schließlich dürfte auch kein Bedürfnis der gerichtlichen Praxis für die Einführung bestehen. In der Kommentarliteratur zu § 130a VwGO (vgl. Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 130a Rn. 5) wird ein sinnvoller Anwendungsbereich bei offensichtlichen Fehlern der erstinstanzlichen Entscheidung oder bei Änderungen der Sach- oder Rechtslage gesehen. Solche Fälle dürften im sozialgerichtlichen Verfahren eher selten sein.

 

D. Klarstellung der örtlichen Zuständigkeiten im Bereich des Leistungserbringungsrechts nach dem SGB V, SGB XI SGB XII

Gegen die Änderungsvorschläge werden keine Einwendungen erhoben.

 

E. Abschaffung der Vollziehungsfrist bei der einstweiligen Anordnung (§ 86b Abs. 2 SGG)

Der Änderungsvorschlag wird begrüßt. Die Darstellung im Bericht beschreibt die aus der jetzigen Rechtslage folgenden Probleme zutreffend.

 

F. Sanktionierung unterlassener Aktenübersendung (§ 104 Abs. 2, § 172 Abs. 3 Nr. 5 SGG)

Der Änderungsvorschlag wird begrüßt. Eine Sanktionierung der Pflicht zur zeitnahen Aktenübersendung ist bereits in der Stellungnahme des DRB zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (BT-Drs. 16/7716) vom Januar 2008 angemahnt worden. Allerdings erscheint die vorgeschlagene Regelung mit der Notwendigkeit der Setzung einer Nachfrist, dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Ordnungsgeldfestsetzung sowie der Entschuldigung unnötig kompliziert. Zum Nachweis der Fristsetzungen und Hinweise bedurfte es regelmäßig der Zustellung der gerichtlichen Schreiben an die Behörde. Zu befürchten sind unnötige, die Sozialgerichte belastenden Streitigkeiten um Ordnungsgelder. Immerhin handelt es sich um Behörden, zu deren regelhaften Aufgaben die Übersendung von Akten an das Gericht gehört und die auch rechtskundig sind. Von daher dürfte es ausreichend, wenn mit der Aktenanforderung auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Ordnungsgeldes hingewiesen wird.

Auf keinen Fall sollte auf den mit der Neuregelung vorgeschlagenen Beschwerdeausschluss verzichtet werden.

 

G. Streichung des § 109 SGG

Dem Vorschlag wird entgegengetreten.

Eine Abschaffung oder inhaltliche Einschränkung des § 109 SGG wird seit Jahren diskutiert (vgl. bereits Roller, SGb 2005, 616, 619; Stellungnahme des BDS zum Entwurf eines ... Ge- setzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes [BT-Drucks 16/3660]). Letztlich wird der Vorschlag in der Richterschaft der Sozialgerichtsbarkeit mehrheitlich abgelehnt. Verwiesen werden kann auf die Stellungnahme des DRB zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (BT-Drs. 16/7716) vom Januar 2008:

„Die Vorschrift stellt eine Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens dar und konkretisiert in besonderer Weise dessen Beteiligtenfreundlichkeit. Sie dient aber auch der Qualität der Entscheidung, denn immer wieder ist es erst der Gutachter nach § 109 SGG, der auf Gesichtspunkte hinweist, die bisher vom Gericht nicht oder nicht angemessen berücksichtigt worden sind. Der Vorschrift des § 109 SGG kommt auch erhebliche Befriedungsfunktion zu, wenn das Gutachten den Sozialleistungsträger überzeugt und so zu einem Anerkenntnis oder einem Vergleich führt. Fällt das Gutachten für den Antragsteller ungünstig aus, was auch nicht selten ist, gibt dieser oftmals die entsprechende verfahrensbeendende Erklärung ab. Zumindest weiß der Antragsteller, dass sich das Gericht mit den Argumenten eines Mediziners auseinandersetzen muss, der sein Vertrauen genießt. Die teilweise missbräuchliche Verwendung der Vorschrift, die durchaus zu erheblichen Verfahrensverzögerungen führen kann, rechtfertigt ihre Abschaffung nicht.“

Diese Ausführungen haben weiterhin Gültigkeit.

 

H. Inhaltliche Beschränkung der gerichtlichen Überprüfungspflicht (Elementenfeststellungsklage)

Dem Vorschlag wird entgegengetreten. Er war bereits im Referentenentwurf zum 4. Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und zur Änderung anderer Gesetze enthalten. Die seinerzeit vom DRB geäußerten verfassungsrechtlichen und rechtssystematischen Bedenken (Stellungnahme des DRB zum Referentenentwurf, April 2011; Stellungnahme des DRB zum Gesetzentwurf, Oktober 2011) bestehen fort.

 

I. Einführung eines § 136 Abs. 4 S. 2 SGG (Frist zur Abgabe der Rechtsmittelverzichtserklärung)

Dem Vorschlag wird nicht entgegengetreten. Allerdings wird damit nicht die Hoffnung auf eine wesentliche Entlastung der Gerichte verbunden. Von der Möglichkeit des Rechtsmittelverzichts ist bisher nur in wenigen Fällen Gebrauch gemacht worden. Diese dürfte weniger an einer Überforderung der Beteiligten, zugleich nach Verkündung des Urteils einen Rechtsmittelverzicht zu erklären, wie es die Begründung des Regelungsvorschlages ausführt, liegen.

 

J. Einführung von fallbezogenen Berufungsbeschränkungen

Der Vorschlag wird begrüßt. Er entspricht der Stellungnahme des BDS zum Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (BT-Drucks 16/3660), in der sich der Verband bereits gegen die Einführung einer allgemeinen Zulassungsberufung und für diejenige genereller und spezieller Berufungsausschüsse in Anlehnung an das frühere Recht des SGG ausgesprochen hat. Auch der DRB hat sich in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (BT-Drs. 16/7716) vom Januar 2008 in dieser Weise geäußert.

 

K. Klarstellung in § 153 Abs. 5 SGG zur Alleinzuständigkeit des Berichterstatters

Dem Vorschlag wird nicht entgegengetreten. Allerdings sollte das Zusammenspiel von § 153 Abs. 4 SGG und § 153 Abs. 5 SGG-E nunmehr nicht dazu führen, dass der Berichterstatter durch Beschluss die Berufung zurückweisen (bzw. – bei Übernahme des Regelungsvorschlages E zu § 153 Abs. 4 SGG – ihr stattgegeben) darf. Eine Entscheidung des Berichterstatters nach § 158 SGG dürfte von vornherein ausscheiden, da die Verwerfung der Berufung durch Beschluss bei vorangehenden Gerichtsbescheid gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verstoßen würde (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 158 Rn. 6).

 

L. Ausschluss der Beschwerde gegen Beschlüsse des Sozialgerichts über die Ablehnung von Sachverständigen

Der Vorschlag wird begrüßt. Er ist notwendig, um die Rechtsunsicherheit durch die – teilweise auch innerhalb eines Landessozialgerichts bestehende – unterschiedliche Rechtsprechung zur Statthaftigkeit der Beschwerde (vgl. nur Roller in: Lüdtke, SGG, 4. Aufl. 2012, § 118 Rn. 29) zu beseitigen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es dringend einer Klarstellung des Gesetzgebers bedarf, ob die Beschwerde gegen die (erfolglose) Ablehnung von Richtern statthaft ist. Entgegen der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 60 Abs. 1 S. 2 SGG durch das 4. Gesetz zur Änderung des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011 (BR-Drs. 315/11, S. 40, BT-Drs. 17; 6764, S. 27), wonach eine Beschwerde gegen die Entscheidung nicht statthaft sein soll, wird die Statthaftigkeit der Beschwerde in der neueren Rechtsprechung teilweise bejaht (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Mai 2012, L 11 SO 108/12 B). Diese Unsicherheit gilt es zu beseitigen. Der BDS spricht sich dabei gegen die Statthaftigkeit der Beschwerde aus. Da bei Ablehnungsanträgen gegen Richter der vorhandene Instanzenzug nicht selten ausgeschöpft wird, würde ansonsten das Verfahren gegenüber der früheren Rechtslage (unmittelbare Entscheidung durch die Berufungsinstanz) verlängert und verkompliziert werden. Das würde die Intention des Gesetzgebers, mit der Verlagerung der Entscheidungskompetenz auf die erste Instanz das Verfahren zu vereinfachen und zu straffen, in sein Gegenteil verkehren.

 

M. Neufassung des § 172 Abs. 3 SGG

Der Regelungsvorschlag wird begrüßt. Seine Umsetzung ist notwendig, um die Rechtsunsicherheit durch die – teilweise auch innerhalb eines Landessozialgerichts bestehende – unterschiedliche Rechtsprechung zur Statthaftigkeit der Beschwerde bei Anträgen auf Prozesskostenhilfe, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte (beispielsweise LSG Baden-Württemberg; gegen die Statthaftigkeit: Beschluss vom 5. Dezember 2008, L 8 AS 4968/08 PKH-B und Beschluss vom 30. März 2012, L 12 AS 664/12 B; für die Statthaftigkeit: Beschluss vom 6. Juli 2010, L 1 AS 2706/10 B, Beschluss vom 19. Januar 2011, L 7 AS 4623/10 B und Beschluss vom 12. August 2011, L 13 AS 1830/11 B), zu beseitigen. In der Sache selbst sprechen gute Gründe für einen Beschwerdeausschluss. Der BDS hat sich bereits früher für eine einen Ausschluss der Beschwerde (Stellungnahme des BDS zum Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes [BT-Drucks 16/3660]) und jüngst wieder für eine Klarstellung (Stellungnahme des BDS zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts) ausgesprochen.

 

N. Ausschluss der Beschwerde gegen Beschlüsse des Sozialgerichts über Kosten nach § 109 SGG

Der Regelungsvorschlag wird begrüßt. Für eine Beschwerdemöglichkeit besteht in der Tat kein Bedürfnis. Die Änderung ist zudem geeignet, die Unsicherheit über eine Beschwerderecht der Staatskasse gegen die Kostenentscheidung (vgl. Roller in: Lüdtke, SGG, 4. Aufl. 2012, § 109 Rn. 34) zu beseitigen.

 

O. Einführung einer Gerichtskostengebühr

Dem Vorschlag wird nicht entgegengetreten. Der BDS hat bereits in der Vergangenheit im- mer wieder betont, dass es eine sozialpolitische Entscheidung ist, ob der Gesetzgeber die (weitgehende) Gerichtskostenfreiheit sozialgerichtlicher Verfahren aufhebt oder einschränkt. Die vorgeschlagene Einführung einer Gerichtskostengebühr dürfte geeignet sein, einer in Einzelfällen immer wieder zu beobachtenden rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme des gerichtlichen Rechtsschutzes entgegenzuwirken.

Allerdings wird darauf hingewiesen, dass die vorgeschlagene Neuregelung des § 186 Abs. 1 SGG-E die Konstellation nicht berücksichtigt, dass die Klage teilweise zurückgenommen wird. Denkbar ist etwa der Fall, dass bei einem Höhenstreit von vornherein eine überhöhte Klage erhoben und im Laufe des Verfahrens die geltend gemachte Forderung reduziert wird. Auch in diesem Fall wäre die Klage teilweise unstreitig erledigt worden, doch liegen hier keine Gründe vor, um von der Gebührenpflicht abzusehen.

Weiterhin läge es nahe, auch in den Fällen, in denen Gerichtskosten nach § 197a SGG erhoben werden, eine Verpflichtung zur Bezahlung eines Vorschusses sowie eine dem § 102 Abs. 3 SGG-E nachgebildete Rücknahmefiktion vorzusehen (siehe bereits Stellungnahme des BDS zum Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes [BT-Drucks 16/3660]).

 

P. Wiedereinführung der Pauschgebührenpflicht der Träger nach dem SGB II und Einführung einer entsprechenden Pflicht der Träger nach dem SGB XII

Dem Vorschlag stehen Bedenken entgegen. Es ist zunächst eine sozial- und finanzpolitische Entscheidung des Gesetzgebers, ob er weitere Ausnahmen der allgemeinen Gebührenfreiheit für Bund und Länder (§ 2 GKG) vorsieht. Allerdings dürften von der Neuregelung keine großen Anreize zur Vermeidung von Gerichtsverfahren durch die Leistungsträger ausgehen. Weit eher dürften Leistungsträger nicht mehr bereit sein, das gerichtliche Verfahren unstreitig zu beenden und eine Überprüfung ihrer Entscheidung auf dem Verwaltungswege vorzunehmen, da dann ein weiteres (pauschgebührenpflichtiges) Gerichtsverfahren droht. Dies würde sozialgerichtliche Verfahren verlängern und verkomplizieren.

Bereits unter der geltenden Rechtslage bestehen Anreize zur Vermeidung überflüssiger Gerichtsverfahren, denn nicht selten sind die Kläger durch Rechtsanwälte vertreten, deren Kosten im Falle eines vollständigen oder teilweisen Unterliegens durch den Leistungsträger zu erstatten sind. Die dort drohenden Kosten übersteigen die Pauschgebühr nach § 184 Abs. 2 SGG deutlich.