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Stellungnahme des Bundes Deutscher Sozialrichter (BDS) zum Referentenentwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze

Der BDS ist zu dem o.g. Referentenentwurf bisher nicht förmlich beteiligt worden. Wir erlauben uns trotzdem Stellung zu nehmen, da die hierin vorgesehene Ergänzung des § 90 SGB XII um einen Absatz 2a Auswirkungen auf die Bedürftigkeitsprüfung im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren hinsichtlich der Prüfung des einzusetzenden Vermögens haben dürfte, die dem Gesetzgeber möglicherweise bisher nicht in dieser Deutlichkeit bewusst sind.

Auszugehen ist hierbei von dem auch im sozialgerichtlichen Prozesskostenhilfeverfahren gemäß § 73a SGG entsprechend anwendbaren § 115 ZPO. Dessen Absatz 3 Satz 1 ordnet an, dass eine Partei ihr Vermögen bei der Prüfung der Bedürftigkeit im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens einzusetzen hat, soweit dies zumutbar ist. Nach § 115 Absatz 3 Satz 2 ZPO ist bei dieser Prüfung § 90 SGB XII entsprechend anzuwenden. Gemäß § 90 Absatz 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen, soweit es nicht zu den geschützten Vermögenswerten im Sinne von § 90 Absatz 2 SGB XII (sog. Schonvermögen) gehört oder gemäß § 90 Absatz 3 SGB XII der Einsatz oder die Verwertung des Vermögens für den Antragsteller und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine besondere Härte bedeuten würde. Kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte sind einem Antragsteller nach §§ 115 Absatz 3 Satz 2 ZPO, 90 Absatz 2 Nummer 9 SGB XII zu belassen. Die Höhe dieses Schonbetrages bestimmt sich nach der Verordnung zur Durchführung des § 90 Absatz 2 Nummer 9 SGB XII in der Fassung nach der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des § 90 Absatz. 2 Nummer 9 SGB XII vom 22.03.2012. Als Schonbetrag ist nach § 1 Absatz 1 dieser Verordnung ab dem 01.04.2017 ein Freibetrag von 5.000 € zuzüglich je 500 € für jede unterhaltsberechtigte Person anzusetzen.

Die Anwendbarkeit dieser Regelung ist auch jedenfalls für die Sozialgerichtsbarkeit auch nicht angesichts der derzeitigen Pandemielage ausgesetzt. Denn die Übergangsregelung des § 141 Absatz 2 SGB XII über die Nichtberücksichtigung von Vermögen aus Anlass der Covid-19-Pandemie findet nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Beschluss vom 09.06.2020, B 1 KR 13/19 BH juris) keine Anwendung bei der Prüfung der Bedürftigkeit i.S.v. § 115 ZPO.

Im Referentenentwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialge- setzbuch und anderer Gesetze ist nach dem uns vorliegenden Bearbeitungsstand vom 11.01.2021 vorgesehen, dass die Vorschrift des § 90 SGB XII ergänzt wird (Artikel 2 Num- mer 16) - und zwar wie folgt:

„(2a) Abweichend von Absatz 1 und Absatz 2 Nummer 9 ist bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel dieses Buches Vermögen innerhalb der ersten zwei Jahre ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen bezogen werden, nur einzusetzen, wenn es erheblich ist. (...) Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Vermögen ist im Sinne des Sat- zes 1 erheblich, wenn es in der Summe 60.000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 30.000 Euro für jede weitere mit ihr in einer Haushaltsgemeinschaft lebende Person übersteigt; in der Haushaltsgemeinschaft zu berücksichtigenden Personen sind Ehegatten oder Partner und minderjährige Kinder. Liegt erhebliches Vermögen vor, treten die Beträge nach Satz 4 während der Frist nach Satz 1 an die Stelle des Grundfreibetrages nach Absatz 2 Nummer 9.“

Als richterlicher Berufsverband bewertet der BDS die mit der beabsichtigten Einfügung des § 90 Absatz 2a SGB XII verbundene erhebliche Anhebung der Vermögensbeträge, welche die Partei für die Prozessführung nicht zumutbar einzusetzen hat, nicht. Der BDS möchte allerdings darauf hinweisen, dass eine solche Änderung erhebliche Auswirkungen auf das Prozesskostenhilfeverfahren sowie die Justizhaushalte des Bundes und der Länder haben dürfte.

Dr. Dirk Berendes
Richter am Landessozialgericht

Dr. Steffen Roller
Direktor des Sozialgerichts

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