Stellungnahme des Bundes Deutscher Sozialrichter (BDS) zum Referentenentwurf einer Behördenaktenübermittlungsverordnung
Für die in der Sozialgerichtsbarkeit tätigen Richterinnen und Richter ist die tagtägliche Einbeziehung von Behördenakten in die elektronische Gerichtsakte von großer Bedeutung. Von daher bedankt sich der BDS für die Gelegenheit, zu dem Referentenentwurf Stellung nehmen zu können.
Weiterhin begrüßen wir, dass das Vorhaben weiterverfolgt wird, einheitliche Standards für die Übermittlung von Behördenakten an die Gerichte zu setzen. Der Referentenentwurf greift einige in unserer Stellungnahme vom 16.06.2024 zum Diskussionsentwurf vom 29.04.2024 aufgeführten Punkte auf. Insgesamt erscheint damit eine tragbare Lösung gefunden worden zu sein. Im Einzelnen weisen wir auf folgendes hin:
Nachhaltig zu begrüßen ist die gegenüber dem Diskussionsentwurf neu eingefügte Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung ab 1. Januar 2026 (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BehAktÜbV-E). In unserer Stellungnahme zum Diskussionsentwurf hatten wir eine für die Behörden verbindliche Regelung ohne längere Übergangszeit angemahnt. Dem kommt der Referentenentwurf nach, was sehr zu begrüßen ist. Eine Übergangszeit von einem oder weniger als einem Jahr (abhängig vom Erlass der Verordnung) dürfte ausreichen. Näheres hierzu dürften die im Verfahren gehörten Rechtsträger der betroffenen Behörden geäußert haben.
Zu kritisieren ist jedoch, dass die Übermittlung im xJustiz-Format - dauerhaft - nur als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist (§ 2 Abs. 4 BehAktÜbV-E) und in diesem Rahmen auch die Übersendung einer Gesamt-PDF gemeinsam mit einem xJustiz-Datensatz ausreicht. Die Soll-Regelung ist ersichtlich der Versuch, einerseits hohe Standards aufzustellen und andererseits den Druck auf Behörden nicht zu groß werden zu lassen, da sich die Regelung sonst politisch nicht durchsetzen ließe oder in der Praxis ignoriert würde. Daher erscheint uns eine Muss-Regelung, verbunden mit einer angemessenen Übergangsfrist notwendig. Eine zu lange Übergangsfrist einzuräumen, wäre hingegen eine nur bedingt brauchbare Lösung. Sie verleitet dazu, die notwendige Umsetzung aufzuschieben, statt sie beherzt unmittelbar anzugehen.
In unserer Stellungnahme zum Diskussionsentwurf hatten wir die Frage aufgeworfen, ob die Ermächtigungsgrundlage des § 65b Abs. 7 SGG vor dem Hintergrund der Regelung in § 104 Satz 5 und 6 SGG die im Grundsatz ausnahmslose Verpflichtung zur Übermittlung in elektronischer Form in § 2 Abs. 1 BehAktÜbV-E trägt. Die Einzelbegründung weist nunmehr auf den Vorrang der entsprechenden Vorschriften in den öffentlich-rechtlichen Verfahrensordnungen hin. Diese dürften daher vorgehen.
Gegenüber dem Diskussionsentwurf ist in § 2 Abs. 3 Satz 3 und § 3 Abs. 3 Satz 2 HS 2 BehAktÜbV-E die Möglichkeit der Gerichte, Signaturdateien und Protokolle über die Prüfung von Signaturdateien anzufordern, eingefügt worden. Dies erscheint ein tragbarer Kompromiss zur Lösung des in unserer Stellungnahme vom 16.06.2024 aufgezeigten Zielkonfliktes zwischen der Übermittlung einer vollständigen und inhaltlich richtigen Behördenakte und deren Handhabbarkeit im gerichtlichen Alltag. In unserer Stellungnahme zum Diskussionsentwurf hatten wir dargelegt, dass die Signatur im Regelfall keine Beweisfragen aufwirft.
Es erscheint fraglich, ob die BehAktÜbV der richtige Ort ist, die inhaltlichen Anforderungen an die im xJustiz-Format übermittelten Daten zu regeln (so aber § 2 Abs. 4 Satz 2 BehAktÜbV-E). Der xJustiz-Standard unterliegt regelmäßigen Veränderungen, sodass ein Auseinanderlaufen der Vorgaben absehbar ist. Da der xJustiz-Standard gerade darauf angelegt ist, die Kommunikation mit den Gerichten zu fördern, kann vorausgesetzt werden, dass er inhaltlich passende Vorgaben macht.
Verzichtet worden ist auf die in § 3 Abs. 2 BehAktÜbV-E in der Fassung des Diskussionsentwurfs vorgesehene Möglichkeit der gerichtlichen Vorgabe zur Kenntlichmachung der Aktenstruktur. Dem kann gefolgt werden, da bei fehlender Nachvollziehbarkeit der Aktenstruktur nach § 3 Abs. 2 BehAktÜbV-E in der Fassung des Referentenentwurfs (bisher Abs. 3) die Möglichkeit besteht, eine Übermittlung im ursprünglichen Format vorzugeben.
Die Ersatzmaßnahme der Bereitstellung der Akte zum Abruf (Cloud-Lösung) in § 4 Abs. 3 BehAktÜbV-E ist nunmehr um inhaltliche Vorgaben der so bereitgestellten Akte entsprechend denjenigen zum Regelfall der Übermittlung ergänzt worden. Da auch die zum Abruf bereit gestellte Verwaltungsakte die Anforderungen an die Vollständigkeit, inhaltliche Richtigkeit und auch Handhabbarkeit durch das Gericht erfüllen muss, ist dies folgerichtig.
Bei einer Muss-Regelung, wie von uns vorgeschlagen (s.o. 2), erscheint die Übergangsfrist zu kurz.
Prof. Dr. Steffen Roller
Direktor des Sozialgerichts
Vorsitzender