Stellungnahme zum Entwurf der Neufassung der „Bamberger Empfehlung“ - Empfehlung von arbeitsbedingten Hauterkrankungen und Hautkrebserkrankungen (Stand 07.02.2025)
Zur Vorbereitung der Präsentation der überarbeiteten Fassung durch die DGUV am 25.03.2025 nimmt der BDS wie folgt Stellung.
Das über das Vorliegen einer Berufskrankheit (BK) befindende Gericht muss sich Klarheit darüber verschaffen, welches der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in einer streitigen medizinischen Frage ist (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urteil vom 23. April 2015, B 2 U 10/14 R, Rn. 20). Wesentliche Grundlage sind dafür die medizinischen Ermittlungen im Verwaltungsverfahren. Das setzt eine regelmäßige Überarbeitung der entsprechenden Begutachtungsempfehlung voraus. Die Bamberger Empfehlung wird von den Gerichten zur Begründung ihrer Entscheidungen herangezogen (exemplarisch: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. März 2012, L 3 U 55/09, juris Rn. 28).
Die aktuelle Überarbeitung ist, soweit von hier aus zu beurteilen, fachlich und wissenschaftlich fundiert. Es spricht nichts dagegen, dass die Neufassung in ihrer Gesamtheit dem Anspruch, den aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiederzugeben, weiterhin gerecht wird. Weiterer Anlass für die Neufassung war der Wegfall des Unterlassungszwangs. Die hieraus folgenden rechtlichen Ausführungen erscheinen gelungen.
Problematisch könnte sein, dass der Umfang der Empfehlung, trotz des Wegfalls der Ausführungen zum Unterlassungszwang, weiter angewachsen ist (von 57 auf 73 Seiten, also um deutlich mehr als ein Viertel). Dieses steht naturgemäß der Handhabbarkeit entgegen. Dem könnte wirksam begegnet werden, wenn einige Passagen gestrafft und auf Doppellungen verzichtet wird.
Aus Sicht der sozialgerichtlichen Praxis sind spezifische Anmerkungen nur zu einigen Passagen veranlasst:
Teil I: Hauterkrankungen
1.1 Hauterkrankungen als Berufskrankheit (S. 8)
An dieser Stelle wird die Struktur des Versicherungsfalles im Überblick dargestellt. Etwas irritierend ist, dass die Voraussetzung einer Krankheit im medizinischen Sinn/Hauterkrankung getrennt von der Voraussetzung einer schweren, wiederholt rückfälligen Hauterkrankung aufgeführt wird. Diese beiden Voraussetzungen könnten in einer ersten, einheitlichen Voraussetzung zusammengefasst werden, wie dies auch der Prüfung der gerichtlichen Praxis entspricht und wie dies zudem die nachfolgende Darstellung (1.4) vornimmt.
1.4.2 Schwere Hautkrankheit (S. 11)
Eine schwere Hauterkrankung wird in der Regel bei ununterbrochener leitliniengerechter Behandlungsbedürftigkeit von mindestens sechs Monaten angenommen. Die angeführte Entscheidung des BSG von 1974 ist immer noch aktuell; soweit erkennbar findet sich keine neuere, hiervon abweichende Rechtsprechung des BSG. Allerdings muss der genannte Zeitraum nicht abgewartet werden, wenn eine solche Behandlungsbedürftigkeit von vornherein absehbar ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 10. Aufl. 2024, S. 941). Letzteres könnte zur Klarstellung ergänzt werden.
Wie bereits in der bisherigen Fassung der Empfehlung (2017) wird die Möglichkeit, dass die Schwere der Hauterkrankung allein von den Hauterscheinungen und unabhängig von der Dauer der Behandlungsbedürftigkeit begründet werden kann angesprochen. .
1.4.3 Wiederholt rückfällige Hautkrankheit (S. 12)
Die hier wiedergegebene Definition findet sich schon in der bisherigen Fassung der Empfehlung (2017). Sie entspricht, soweit dies hier überblickt werden kann, der Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 941 f.). Sie wird auch in der Rechtsprechung in dieser Weise verwendet (vgl. nur LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2011, L 3 U 566/08, juris Rn. 24).
1.4.6 Beispiele zur Schwere und wiederholten Rückfälligkeit (S. 14)
Ob es angesichts der Breite möglicher Konstellationen eine Erleichterung darstellt, einige Beispiele zu bringen, kann hier nicht beurteilt werden. Jedenfalls sollte klargestellt werden, dass es sich darum handelt, die Voraussetzung zu veranschaulichen und sie nicht inhaltlich einzuengen.
1.5 Kausalitätsgrundsätze (S. 16)
Adressaten der Begutachtungsempfehlung sind primär die ärztlichen Sachverständigen, erst in zweiter Linie Sachbearbeiter der Unfallversicherungsträger oder Gerichte. In der sozialrechtlichen medizinischen Begutachtung besteht hier seit jeher ein Spannungsfeld. Einerseits ist die Rollenverteilung klar getrennt, entsprechend der Sachkunde - also Sachbearbeiter/Jurist für die rechtlichen Voraussetzungen und Mediziner für die Feststellung medizinischer Tatsachen. Andererseits erlangt der im Sozialrecht tätige Nichtmediziner zwangsläufig einige medizinische Kenntnisse, welche es ihm erleichtern, ärztliche Äußerungen einzuordnen und kritisch würdigen zu können. Spiegelbildlich hierzu bedarf der ärztliche Sachverständige einiger grundlegender Informationen über den materiell-rechtlichen Hintergrund der an ihn gerichteten Beweisfragen, um diese vollständig zu erfassen (s. bereits Roller, SGb 1998, 401, 402).
Vor diesem Hintergrund ist begrüßenswert, dass die entsprechenden Ausführungen gegenüber der bisherigen Fassung (2017) gestrafft worden und Zitate aus der Rechtsprechung entfallen sind. Inhaltlich sind die Ausführungen zutreffend. Zur Frage der Beispiele gilt das vorhin ausgeführte in entsprechender Weise.
1.6.1 Besonderheiten für Versicherungsfälle vor dem 01.01.2021 (S. 20)
Plausibel erscheint es, dass die Voraussetzungen des Unterlassungszwangs, der in einer Übergangszeit noch eine Rolle spielen wird, kurz dargestellt werden. Dies gilt auch für den etwas gekürzten Inhalt im Vergleich zur bisherigen Fassung (2017).
1.9 Rente (S. 24)
Welchen Nutzen die allgemeinen, gegenüber der bisherigen Fassung (2017) inhaltlich erweiterten Ausführungen zu den rechtlichen Voraussetzungen einer Verletztenrente ergeben, erschließt sich hier nicht. Auch die rechtlichen Voraussetzungen anderer Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, über die ebenfalls auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens entschieden wird, werden nicht dargestellt. Zudem finden sich Überschneidungen zu den Ausführungen unter 3.1. Aus hiesiger Sicht könnte dies vereinheitlicht und deutlich gestrafft werden.
Von großer Bedeutung, auch für die gerichtliche Praxis, sind die Ausführungen zur Minderung der Erwerbsfähigkeit (1.9.1) und insbesondere die Tabelle unter 3.1 sowie die nähere Erläuterung der einzelnen Voraussetzungen. Damit der Sachverständige seine Empfehlung auf einer inhaltlich zutreffenden rechtlichen Grundlage abgibt, sind allgemeine Ausführungen, etwa die Abgrenzung zum Grad der Behinderung und den Maßstäben im privaten Schadensersatzrecht, sinnvoll. Allerdings finden sich auch Überschneidungen zu den Ausführungen unter 3. In der bisherigen Fassung (2017) sind die Ausführungen nicht auf zwei Stellen verteilt. Die neue Aufteilung erscheint aus hiesiger Sicht keinen Gewinn zu bringen; inhaltlich wird ebenfalls zur Straffung geraten.
Die Erläuterungen der einzelnen Voraussetzungen zur Bestimmung der MdE sind weitgehend medizinisch geprägt, sodass diese hier nicht kommentiert werden sollen.
2 Gutachterliche Untersuchung (S. 28)
Die Ausführungen über das Zusammenwirken von Unfallversicherungsträger und Sachverständigen (2.1) und zu Wiederholungsbegutachtungen (2.6) im Gegensatz zur bisherigen Fassung (2017) als Teil des Kapitels über die gutachterliche Untersuchung aufzunehmen, erscheint stimmig.
Die inhaltlichen Anforderungen sind weitgehend medizinisch geprägt, weswegen diese aus unserer Sicht nicht bewertet werden sollen.
Teil II: Hautkrebserkrankungen
Gegenüber der bisherigen Fassung (2017) werden die Voraussetzungen für Hautkrebserkrankungen nach § 9 Abs. 2 SGB VII (1.1.5) konkreter und klarer dargestellt. Die Möglichkeit, eine Anerkennung vorzuschlagen, wird ausdrücklich angesprochen, dabei richtigerweise die Verantwortlichkeiten („empfohlen“) deutlich gemacht.
Einige allgemeine rechtliche Ausführungen (1.2, 1.5, 1.8, 1.9) entsprechend (weitgehend) denjenigen in Teil I. Auf die entsprechenden Ausführungen wird daher verwiesen.
Es sollte auch geprüft werden, ob auf diese Doppelung des Textes nicht insgesamt verzichtet werden, also gleichartige Ausführungen in Teil I unter II „vor die Klammer gezogen“ oder in Teil II auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden soll. Dies kann aber sicherlich besser aus der ärztlichen Begutachtungspraxis eingeschätzt werden.
Christoph Bielitz Prof. Dr. Steffen Roller
Richter am Sozialgericht als w.a.Ri. Direktor des Sozialgerichts
Mitglied des Vorstands des BDS Vorsitzender BDS