Pressemitteilung zum Artikel aus der taz vom 10. Januar 2017

Zu den im Artikel der taz vom 10. Januar 2017 „Wer nicht arbeitet, soll gehen“ wiedergegebenen Äußerungen, Berliner Sozialrichterinnen und Sozialrichter würden entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Eilanträge von EU-Ausländern auf Sozialhilfe abweisen und Klageverfahren verzögern:

Den Sozialgerichten kommt neben der Rechtsschutzgewährung auch die wichtige Aufgabe der Sicherstellung des sozialen Friedens zu. Dies steht im Interesse der Klägerinnen und Kläger, unabhängig davon, ob diese nun Deutsche oder Ausländer sind.

Wer den Anschein erweckt, Richterinnen und Richtern ganzer Gerichte seien in ihrem Handeln durch übersteigerten Nationalismus oder gar Rechtsextremismus motiviert, beschädigt das notwendige Vertrauen in den Rechtsstaat und den Sozialstaat.

Nach Art. 97 Abs. 1 unseres Grundgesetzes sind Richterinnen und Richter unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen. Eine Bindung an die höchstrichterliche Rechtsprechung sieht das Grundgesetz nicht vor. Das gilt auch für den einstweiligen Rechtsschutz. Wenn Richter bei der Beantwortung von Rechtsfragen zu anderen Ergebnissen als oberste Bundesgerichte gelangen, dürfen und sollen sie abweichen. Dies ist kein Zeichen „enthemmter“ Justiz“. Die Rechtsprechung zu Ansprüchen von Unionsbürgern auf existenzsichernde Leistungen ist auch nach den Urteilen des BSG vom 3. Dezember 2015 bundesweit uneinheitlich.

Die Entscheidung darüber, wann in einem gerichtlichen Verfahren die mündliche Verhandlung anberaumt wird, obliegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in erster Linie den mit der Sache befassten Richtern im Rahmen des ihnen eingeräumten Ermessens. Der Vorwurf einer rechtswidrigen Verzögerung setzt zumindest die Kenntnis der weiteren anhängigen Verfahren und deren Dringlichkeit vor dem Hintergrund des Gebots effektiven Rechtsschutzes voraus. Diese Kenntnis dürften die von der taz zitierten Personen nicht haben. Die Beteiligten können zur Beschleunigung eines Verfahrens auch eine Verzögerungsrüge erheben. Außerdem ist das genannte Motiv - eine Zulassung der Revision zu vermeiden - nicht nachvollziehbar. Denn eine Änderung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bzw. eine Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit den Rechtsfragen ist nur bei Ausschöpfung des Rechtsweges möglich.